FACTS: Herr Rottler, vor 38 Jahren hat Schmidt+Bartl als spezialisierter Händler im Kunststoffbereich begonnen. Wie kam es dazu, dass Ihr Haus inzwischen auch eine Vielzahl an Teilen selbst fertigt?
HERIBERT ROTTLER: Wir sind noch heute stark regional geprägt, haben aber schon immer die Nähe zu den OEMs unserer Region aus den Bereichen Medizintechnik, Pharma, Halbleiter und Verpackungsindustrie gesucht. Da dort meist keine große Fertigungstiefe gegeben ist und häufig kein Halbzeug, sondern fertige Teile benötigt werden, waren wir quasi gezwungen, die Bearbeitung mit anzubieten, um unsere Hochleistungswerkstoffe in diesen Branchen zu platzieren.
FACTS: Also gab es einige gewünschte Produkte gar nicht im Handel?
ROTTLER: Nein, denn die OEMs benötigen in der Regel kundenspezifische Teile in kleinen Losgrößen, die es nicht von der Stange gibt. Begonnen haben wir mit 2-D-Teilen wie Dichtungsringen; inzwischen bieten wir die unterschiedlichsten Fertigungsschritte an: vom Endlos-Vulkanisieren, Fräsen, Drehen über den 3-D-Druck bis zur Lasermarkierung.
FACTS: Ist die Fertigung inzwischen wichtiger als der Handel geworden?
ROTTLER: Auf den Handel entfällt aktuell der größere Teil unseres Umsatzes. Aber die Fertigung wächst schneller – insofern dürfte sich in der Zukunft die Gewichtung verändern. Der Handel verliert dabei aber nicht an Bedeutung für uns. Unsere Stärke liegt in der Summe unserer Leistungen. Der Kunde kann bei uns die Komplettlösung erhalten. Wir bieten nicht nur das Produkt, sondern immer auch Service und Beratung. Bei drei Jahrzehnten Kunststofferfahrung kennen wir die Werkstoffe und Verarbeitungsmethoden genau.
FACTS: Viele andere Mittelständler im Kunststoffbereich gehen ins Volumengeschäft – das verspricht eine bessere Kostenkontrolle dank Skalierung: weniger Fachpersonal, weniger Vertriebsmitarbeiter. Sie wollen aber bewusst nicht auf Masse setzen. Warum nicht?
ROTTLER: Zuerst einmal: Wir haben eine sehr schlanke Struktur, der Overhead ist praktisch null. Entsprechend niedrig sind unsere Fixkosten. Zugleich können wir flexibel und rasch auf Kundenwünsche eingehen. Bei niedrigen Fixkosten rechnet sich auch die Kleinserie. Und unsere Kunden, beispielsweise im Pharmasegment, brauchen Kleinserien und einen hervorragenden Kundenservice. Das ist für einen Volumenfertiger schwierig. Wir sind gern in der Nische.
FACTS: Wie lösen Sie die Herausforderung Fachkräftemangel? Anspruchsvolle Kunden, schnelle Umsetzung, hoher Anspruch an Beratungsqualität – es dürfte nicht einfach sein, das passende Personal zu finden …
ROTTLER: Qualität ist entscheidend. Darum bauen wir auch immer erst das Personal auf, danach den Umsatz. Viele Unternehmen haben eine andere Reihenfolge, aber damit kann man Kunden auch schnell wieder verlieren. Wir haben jetzt 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sind also ein kleinerer Mittelständler. Doch wir bieten Arbeitgeberleistungen wie ein großer. Angebote wie Jobrad, erweiterte Altersvorsorge und Krankenversorgung sowie kostenlose Kaltgetränke und Kaffee zeigen unseren Angestellten, dass wir sie über das bloße Gehalt hinaus unterstützen. Außerdem bilden wir intensiv aus, haben in jedem Jahr zwischen zwei und vier Auszubildende im Betrieb. Wir sorgen für unsere eigenen Fachkräfte.
FACTS: Mit der Beteiligung von VR Equitypartner haben Sie die Weichen auf Wachstum gesetzt. Wie funktioniert das in der Nische?
ROTTLER: Die Hinzunahme von VR Equitypartner hilft uns gleich dreifach: Zum Ersten haben wir so eine gute Nachfolgelösung für die Familiengesellschafterin gefunden. Bei einem Verkauf an einen Strategen bestünde immer das Risiko, dass ein Unternehmen seinen Charakter verliert. Zum Zweiten haben wir nun einen Partner, der sich auch mit anorganischem Wachstum bestens auskennt. Und zum Dritten bauen wir gemeinsam eine zweite Führungsebene auf, die mich – ich bin jetzt 58 Jahre alt – in Zukunft ablösen könnte. Weil VR Equitypartner aber kein Gesellschafter ist, der in drei Jahren schon wieder aussteigen muss, können wir Schmidt+Bartl in Ruhe entwickeln.
FACTS: Ein Wachstumselement könnten also Zukäufe sein. Was suchen Sie?
ROTTLER: Wir sind bislang sehr stark auf unsere Region von Stuttgart bis zum Bodensee fokussiert. Mit einem Marktbegleiter in einer anderen Region könnten wir gut auch dort Kunden gewinnen. Außerdem können wir mit dem frischen Kapital unsere Angebotspalette und Produktionskapazitäten und damit auch den Kundenkreis erweitern. Entscheidend ist für uns bei alldem, dass wir unserer Strategie treu bleiben: umfassende Lösungen nah am Kunden, niedrige Fixkosten. So sind wir in der Vergangenheit erfolgreich gewachsen, damit werden wir auch künftig wachsen.